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Hans Magnus Enzensberger
Hans Magnus Enzensberger (*1929) ist eine Institution der deutschen
Nachkriegsliteratur. Ende der 1950er Jahre zunächst als Lyriker
hervorgetreten, gehört der polyglotte und international bekannte Autor,
Übersetzer und Herausgeber nicht nur zu den tragenden Figuren der
literarischen „Neugründung“ der Bundesrepublik in den 1960ern, er ist
zu den wichtigsten deutschsprachigen Autoren der letzten 50 Jahre und
zu den scharfzüngigsten Kommentatoren des politisch-gesellschaftlichen
Geschehens zu zählen. Hans Egon Holthusen bezeichnete ihn zu Anfang
seiner schriftstellerischen Tätigkeit als „Bürgerschreck“, „rabiaten
Randalierer“ und „schäumenden Haßprediger“; Formulierungen, die heute
als Kuriosa bestaunt werden, aber nicht mehr als adäquate Beschreibung
eines Autors dienen können, der sich Zeit seines Lebens erstaunlich
erfolgreich „gegen jede literarische und politische Festlegung“1
gewehrt hat.
Enzensberger hat „wie wohl kein anderer die Geschichte Deutschlands
seit dem Ende der fünfziger Jahre in seinen – sozusagen symptomatischen
– zornigen, satirischen, ironischen und schließlich selbstironischen
Kommentaren und lyrischen Selbstaussprachen“2
begleitet, er hat (nicht nur!) die Bundesrepublik mehr als einmal „auf
den Begriff gebracht“ (ebda., S. 798). Sein Schreiben ist als
Verbindung literarischer Praxis mit ästhetischer und politischer
Reflexion als Reflex einer in der Tradition der Aufklärung verwurzelten
Auffassung von Autorschaft begriffen worden, dessen Anfänge von einer
Amalgamierung von Katastrophe und Karneval verschattet waren. Der
„Flakhelfergeneration“ zugehörig hat Hans Magnus Enzensberger den
Zweiten Weltkrieg als Kind und das Kriegsende als Einberufener erlebt,
ein Untergang, dem in der unmittelbaren Nachkriegszeit die Erfahrung
eines Machtvakuums folgte. Reinhold Grimm und Jörg Lau haben dies als
prägende Erfahrung des jungen Hans Magnus Enzensberger gewertet, und
als Hintergrund eines entstehenden Kontigenz- und „Krisenbewusstseins“
herangezogen: „Wenn jemand „Geschichte primär als Katastrophe erfahren
hat“, heißt es bei Grimm, dann wird ihn „eine solche Sehweise nicht
mehr verlassen.“3 | Home | Anmerkungen1 Frank Dietschreit: Enzensberger. In: Metzler Autoren Lexikon. Deutschsprachige Dichter und Schriftsteller vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Hrsg. von Bernd Lutz. Stuttgart 1986, S. 139-140, hier S. 139. 2 Hans H. Hiebel: Hans Magnus Enzensberger. In: Deutsche Dichter des 20. Jahrhunderts. Hrsg. von Hartmut Steinecke. Berlin 1994, S. 785-800, hier S. 785. 3 Reinhold Grimm (Hrsg.): Hans Magnus Enzensberger. Frankfurt/Main 1984, S. 119. Vgl. auch das erste Kapitel „Katastrophe und Karneval, Zerstörung und Rückgriff“ in der Biographie von Jörg Lau: Hans Magnus Enzensberger. Ein öffentliches Leben. Frankfurt/Main 2001 [1999], S. 9-33. 4 Sandra Pott: „Poesie der Wissenschaft?“ Hans Magnus Enzensbergers Gedichte über Naturforscher der frühen Neuzeit. In: Zeitschrift für Germanistik 17 (2007), H. 2, S. 340-360, hier S. 342 (Anm. 23). 5 Robert Gernhardt: Enzensbergers Exeget. In: Ders.: Lichte Gedichte. Frankfurt/Main 1999 [Zürich 1997], S. 130.
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